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Rolex Fastnet Race – 2021 mal anders

Das „Rolex Fastnet Race“ ist unbestritten eine der wichtigsten und anspruchsvollsten Hochseeregatten der Welt.

Der Veranstalter RORC hatte in diesem Jahr aufgrund mehrerer Besonderheiten alle Hände voll zu tun, damit unter Corona- und Brexitbedingungen und dem neuen Zielhafen Cherbourg diese hochkarätige Regatta angemessen durchgeführt werden konnte.
Das gleiche galt auch für uns; ständige Änderungen in Ein-/Ausreise und Quarantäneregeln, die ausgefallene Qualifikationsregatta Nordseewoche etc. machten die Organisation nicht einfach. Aber am Ende versammelte sich die Regattacrew in Scheveningen, um unsere Swan Dantés über Cherbourg nach Cowes und an die Startlinie der „Royal Yacht Squadron“ zu segeln.

Ein strammer Südwest mit dem entsprechenden Seegang lässt uns einige Zeit im Hafen ausharren, Besserung ist in Sicht und daher nutzen wir die Zeit für die Törnplanung, Betrachtung der Regattastrecke, ausführliches Studium der Segelanweisungen, Leinenführung an Deck und ähnliches.
Dann kommt endlich die Wetterberuhigung mit dem Dreher auf West und Nordwest und wir brechen bei schönen Bedingungen auf in das Wirrwarr von Verkehrstrennungsgebieten, Offshorewindparks, Gasriggs und Reeden. Die südwestliche Nordsee ist ein Industriegebiet und die Veränderung ist enorm, wenn man die Dover Straits passiert und im englischen Kanal unterwegs ist. Plötzlich viel Platz,  das Wasser wird blauer, ein Hauch von Süden bei leichten achterlichen Winden macht sich breit. Bei schwachen wechselnden Winden arbeiten wir uns Cherbourg entgegen, kreuzen unter Nutzung des starken Tidenstroms um die NE Ecke der Cotentinhalbinsel und laufen gegen Mitternacht im grosszügigen Hafen von Cherbourg ein.

 

High Street in Cowes und das Büro des RORC

High Street in Cowes und das Büro des RORC

 

Einige Tage vergehen mit weiteren Vorbereitungen:
Einchecken im Wettfahrtbüro, letzter Papierkram etc.
Wir liegen am Steg der Class 40s. Es ist schon frappierend zu sehen, wie Offshorerennyachten sich in den letzten Jahren entwickeln…
Dann legen wir am frühen Morgen ab mit Kurs Solent, der Wetterbericht verspricht kräftig auffrischenden Südwest, und der soll auch die Anfangsphase des Fastnet bestimmen. Wind gegen Strom und 7 Bft. bei der Ankunft am Needles Channel, wir entscheiden uns für den „North Channel „, eine gute Wahl in Anbetracht des sich aufbauenden Seegangs.
Wir verbringen die Nacht vor dem Start an einer Tiefwassermooring vor dem Hafen von Newport, da wir aufgrund der Coronaregelungen nicht in GB an Land gehen werden. Der Hafenmeister erlässt uns als Fastnetteilnehmer das Liegegeld und wünscht uns „all the best.“

Am Morgen die letzten 8sm zur Startlinie, mit Schiebstrom und Schiebewind. Der Solent ist voll mit Booten, wir passieren das „Safety Gate“ mit vorschriftsmäßig gesetzter Sturmbesegelung.
Dann der Prestart, 7 Bft aus SW und kenternder Strom machen schon den Solent zur Holperpiste, alle versuchen, die korrekte Segelkonstellation zu finden,  hektische Segelwechsel und Reffaktionen machen den  Bereich vor der „Royal Yacht Squadron“ Startlinie zum Minenfeld, Unaufmerksamkeit wird hier sofort mit hohem Puls geahndet.

 

Wir jagen unserem Starterfeld hinterher

 

Dann, um 12.25 Uhr, der Start von IRC 3, unserer Gruppe. Ca. 80 Yachten sind hier gemeldet, über 30 davon werden  das Ziel in Cherbourg nicht erreichen.
Eine harte Kreuz beginnt, im Solent noch holprig,  auf der Höhe der Needles dann definitiv „boatbreaking“ . Die ersten Boote kehren um, wir arbeiten uns aus den harten Brechern weiter auf den langen Weg nach Südwest. Auf allen Booten laufen Segler jetzt durch Phase eins der meisten Fastnet Races: Warum mach ichs?!
In der Nacht wird es etwas moderater, die Taktik bestimmt. Wir laufen recht weit bis an Plymouth heran, können uns gerade noch aus einem Flautenloch heraussegeln und sind am nächsten Morgen in einer guten Position für einen langen Schlag an der cornischen Küste entlang. Segelwechsel auf die Genua 2, es folgt ein perfekter Schlag bei gloriosem Wetter und exakt passender Tide an Lizard Point vorbei, und mit einem kurzen Schlag an Lands End vorbei nach Norden. So dicht liegen beim Fastnet Traum und Albtraum beieinander.
Die Crew erholt sich von leichten Magenverstimmungen und unsere Expeditionsnahrung sorgt dafür, das alle bei Kräften bleiben. Ein langer Reach zum Felsen steht an, es läuft gut, bis dann ca. 50sm vor der Wendemarke der Wind netterweise auf die Nase dreht. Die Meilen werden lang, aufgewühlte, durcheinanderlaufende See, schlechte Sicht und volle Konzentration, da uns Schiffe der schnelleren Gruppen uns unter Spinakern entgegen kommen.
Dann klart es auf, der Wind dreht günstig und wir können bei letztem Tageslicht den legendären Felsen mit seinem prägnanten Leuchtturm runden …

 

Die Swan Dantés läuft mit ausgebaumter Genua in die Nacht

Die Swan Dantés läuft mit ausgebaumter Genua in die Nacht

 

Rückweg. 
Ein neues Windfeld mit 25- 30 kn aus Südwest wurde schon im letzten, per Satellit angeforderten Gribwetter file angekündigt, daher sind wir auf die kräftige Zunahme bei Wind und Seegang vorbereitet. Vor Einbruch der Nacht binden wir 2 Reffs ins Gross, zusammen mit unserer Stagfock sind wir damit sehr gut besegelt für den Weg zu den Scillies. Bis dort bleibt es ruppig, aber an der SW Ecke des VTGs Scillies West können wir abfallen auf Raumschotkurs. Ausreffen, G2 setzen und Stagfock bergen, die Sonne kommt heraus und wieder steht ein perfekter Schlag in den englischen Kanal an, die letzten 100sm zum Ziel.
Leider steht der Wind nicht durch, ein Schwachwindfeld erwischt uns und einige andere Boote nordwestlich der Casquets. Noch 45 sm zum Ziel, der Tidenstrom nördlich der Kanalinseln macht sich bemerkbar. Die Dünung schlägt den Wind aus den Segeln, Leichtwindspinaker schlagen und zerreißen an Bugkörben, werden hektisch getapt. Wir versuchen es mit der ausgebaumten Genua, kein Raumgewinn mehr.
Die Moral sinkt, auch auf den Nachbarbooten, wie wir in einigen Funkgesprächen erfahren. Der Wetterbericht verheißt nichts Gutes …

Als ich die Nacht schon abhake kommt plötzlich aus dem Nichts eine leichte südliche Brise auf. Wir können es kaum fassen, wir machen Fahrt in die richtige Richtung,  der Strom kentert zu unseren Gunsten und wir nähern uns dem Ziel mit 8 kn Fahrt über Grund!
Das Alderney Race schickt uns bei Dunkelheit seine Ausläufer, wenige Grad Kursänderung haben große Fahrtunterschiede zur Folge.
3 sm vor der Ziellinie, wir sehen die Molenfeuer, nagelt uns der kenternde Strom fest. Es geht bei beinahe Flaute nicht mehr weiter, wir ankern mit 50m Kette auf 20m Wassertiefe um nicht auf die Felsen vor der Küste getrieben zu werden. Wie uns geht es ca. 10 anderen Booten, manche schaffen es nicht in flaches Wasser und werden vom Strom weit zurückgedrängt. 3 Boote ankern 50m vor der Ziellinie, keine Chance! Wir machen am Anker 3,5 bis 4kn Fahrt durchs Wasser, die Ankerwache muss aufmerksam sein! Am frühen Morgen kentert der Strom, leichter Ostwind. Unter Grosssegel ankerauf, natürlich ohne Maschine, wir sind in einer Regatta.
Auf den letzten 2 sm versegeln wir noch einen Konkurrenten und passieren nach ca 800 tatsächlich gesegelten Seemeilen die Ziellinie!

Was für ein Wechselbad der Gefühle..
Fastnet Race Teilnehmer durchlaufen in der Regel drei Phasen:
1. Warum tue ich mir das an?
2. Nie wieder!
3. Sind noch Plätze frei für 2023?

Zwei Mitsegler haben für 2023 schon reserviert …